Ort: DGB-Büro „Filler“,Erfurt, Schillerstr. 44 (Hinterhaus)
Zeit: 22.09.2011 (Donnerstag), 19.30 Uhr
Referent: Manfred Freiling
Gemäß offiziell bestätigten Gerüchten leben wir im Atomzeitalter und erfreuen uns einer wissenschaftlich-technischen Zivilisation. Das sieht man schon daran, dass es 200 Jahre nach einem Geschehen namens Aufklärung keineswegs als Schande gilt, ein Christ zu sein. Im Gegenteil – der schon recht alte Glaube genießt auf dem freien Markt der Meinungen sogar eine erklärte Sonderstellung.
Einerseits steht die im Zeichen der Dreieinigkeit daherkommende Weltanschauung unter dem besonderen Schutze des Staates. Die Pflege des Glaubens findet organisiert statt, und die Kirche hat ihren gesetzlich verbürgten Platz im System der weltlichen Macht. Über die historischen Leistungen und den heutigen Nutzen dieser Institution darf deshalb auch nach sämtlichen Gerechtigkeitsstandpunkten gestritten werden, wie eben über alles, was der Staat so anstellt. Man darf die Inquisition verachten und bedauern, dass Waffen für Kriege gesegnet wurden, die verloren gingen. Diskussionsfähig sind auch Stellungnahmen von Bischöfen in bezug auf die guten Sitten der Marktwirtschaft, und die Geldfrage ist auch in Kirchenangelegenheiten mit Zweifeln zu betrachten.
Andererseits darf man dem Glauben selbst und dem Herrn, dem er sich verschreibt, nicht zu nahe treten. Denn gläubige Menschen legen in ihr Bekenntnis ihre gesamte Ehre. Mit dem seltsamen Hinweis darauf, dass es sich um das allerinnerste und tiefste Anliegen handle, das man in seinem Gott gewidmeten Gedanken verfolge, verlangt ein Christ, von Gotteslästerung Abstand zu nehmen. Christen lassen ihre Glaubensüberzeugung nicht schlecht machen, und wenn es dennoch vorkommt, dann sind sie beleidigt. So sehr hängt ihre Selbstachtung an der Achtung auch anderer vor dem lieben Gott. Nicht ihre Weltanschauung fühlen sie sich zu verteidigen gedrängt, sondern sich in der ganz dicken Bedeutung des Wortes Würde.
Insofern erscheint ihnen sicher auch unser Vortrag zum Papstbesuch als Blasphemie. Denn die Gleichbehandlung ihrer religiösen Lehre mit jedem anderen „Gedankengebäude“, die Prüfung ihres Gehalts, die immer auch mit Ablehnung der gebotenen Weisheiten „droht“, ist ja schon die Respektlosigkeit vor dem Höchsten.
Wer diese Ehrverletzung nicht verspürt oder sich dennoch auf eine sachliche Auseinandersetzung einlassen möchte, dem bieten wir dafür Gelegenheit und ein paar Argumente über die friedliche Koexistenz von Demut und Selbstgerechtigkeit:
Vortrag & Diskussion über
- das moderne bürgerliche Bedürfnis nach Moral und Sinn
- den christlichen Glauben: Warum ein 2000 Jahre altes Sinnangebot heute verfängt.
- die Institution Kirche: „dogmatisch“, „hierarchisch“, „machtbewusst“ – nicht besser als der Glaube, dem sie dient.
- Staat & Kirche: ein historischer Kompromiss zu beiderseitigem Nutzen.